In diesem Beitrag

Der Q-Faktor ist ein Begriff der Fahrradtechnik, der noch recht unbekannt ist und um dem sich verschiedene Mythen ranken. Es ist Teil des Bikefitting-Themas, aber eigentlich weiß auch keiner so wirklich, wie man den optimalen Q-Faktor findet. Dabei wurde der Q-Faktor seit dem letzten Jahrhundert von den Fahrradherstellern immer weiter an seine Grenzen gebracht – was sehr wohl Folgen für den Fahrradfahrer hat. Erst vor Kurzem wurde die erste empirische Studie über den Q-Faktor veröffentlicht – die Ergebnisse dieser Studie möchten wir euch in diesem Beitrag vorstellen.

Was ist der Q-Faktor?

Der Q-Faktor bezeichnet nichts anderes als den horizontalen Abstand zwischen den beiden Pedalen am Fahrrad. Er wird gemessen vom Montagepunkt des linken Pedals am Kurbelarm zum Montagepunkt des rechten Pedals am anderen Kurbelarm (auf gleicher Ebene). Aus biomechanischer Sicht ist der Q-Faktor besonders wichtig, da die Effizienz der Trittbewegung davon abhängt. Was den Laufsport angeht (bzw. allgemein die Effizienz des menschlichen Laufens), ist schon lange bekannt, dass der Abstand zwischen den beiden Füßen dabei nicht zu groß sein sollte. Ein möglichst geradbeiniges Laufen ist nicht nur biomechanisch sinnvoll, sondern es ist auch aerodynamischer.

Die Trittbewegung auf dem Fahrrad gleicht der Laufbewegung mehr, als man ahnt – gemeinhin werden die gleichen Muskelgruppen im gleichem Ausmaß angestrengt. Daher müsste der Q-Faktor in einem bestimmten Verhältnis zur Trittweite des Fahrers stehen.

Doch in der Praxis hängt der Q-Faktor am Fahrrad von ganz anderen Dingen ab – der Q-Faktor muss sich in der Herstellung der Rahmenform des Fahrrads anpassen. Breitere Fahrradrahmen benötigen weiter ausufernde Kurbelarme, damit die Kurbeln nicht gegen die Kettenstreben stoßen. Auch die Anzahl der Kettenblätter (bzw. der Gänge) der Kurbelgarnitur beeinflussen den Q-Faktor: Generell hat man einen höheren Q-Faktor, falls man vorne zwei Kettenblätter oder sogar drei Kettenblätter (bzw. Gänge) hat.

Allgemein haben Mountainbikes einen enorm höheren Q-Faktor als Rennräder: Rennräder können einen Q-Faktor zwischen 130mm und 160mm haben, während der Q-Faktor bei Mountainbikes zwischen 160mm und 200mm (!) beträgt. Es gibt nahezu keine Überschneidung bei den Q-Faktoren von Rennrädern und Mountainbikes. Beim Fatbike beträgt der Faktor bis zu 230mm. (Quelle: radtechnik.awiki.org)

Obwohl man beim Rennrad immer noch möglichst kleine Q-Faktoren bevorzugt, hat sich der durchschnittliche Q-Faktor seit dem letzten Jahrhundert immer weiter erhöht.

Fazit – und ein Paradox

Der Q-Faktor hängt also größtenteils davon ab, ob man Rennrad, Mountainbike oder ein anderes Fahrrad fährt – und auch, ob man im zwanzigsten oder im einundzwanzigsten Jahrhundert lebt. Doch dabei kann man nicht davon reden, als wäre „der Rennradfahrer“ ein anderer Mensch als „der Mountainbiker“ – prinzipiell müsste der Q-Faktor bei allen Fahrrädern im gleichen Bereich liegen. Diese Tatsache wird von den Fahrradherstellern bisher anscheinend nicht berücksichtigt. Als Fahrradfahrer ist es deswegen umso wichtiger, dass man darüber Bescheid weiß.

Der Q-Faktor im Test – die Ergebnisse der Studie

Wie bereits eingangs erwähnt, gab es neulich die erste empirische Studie zum Q-Faktor. Die Bicycle Quarterly #66 aus dem Winter 2018 erstattete dazu ausführlich Bericht – wir beziehen uns an dieser Stelle größtenteils darauf. (Quelle: Rene Herse Cycles)

Zum Studienaufbau

Die Studie wurde von Dr. B. Xavier Disley an der Universität von Birmingham durchgeführt. Es wurden verschiedene Tests an Heimtrainern durchgeführt mit mehreren großen Testgruppen – darunter ambitionierte Radsportler, Profi-Athleten sowie auch Hobby-Radler. Im Prinzip wurden dabei die Q-Faktoren an den Heimtrainern immer unterschiedlich eingestellt und es wurden die Auswirkungen anhand von unterschiedlichen Methoden festgestellt – Faktoren wie Fahreffizienz und Verletzungsgefahr standen im Vordergrund.

1. Ergebnis – Fahreffizienz

Die Fahreffizienz wurde anhand der gemessenen Anstrengung der Testfahrer ermittelt. Dazu wurde zunächst die maximale Höchstleistung jedes Testfahrers auf dem Heimtrainer ermittelt (mit einem Standard-Q-Faktor von 150mm). Beim tatsächlichen Test musste dann jeder Testfahrer Intervalle von fünf Minuten bei 60% ihrer Höchstleistung absolvieren. Der CO²-Anteil in der ausgeatmeten Luft wurde dabei gemessen, um die Anstrengung der Fahrer zu ermitteln. Dies wurde für verschiedene Q-Faktoren wiederholt.

Es wurde festgestellt, dass die Fahreffizienz bei Q-Faktoren von 90mm und 120mm besser war als bei Q-Faktoren von 150mm und 180mm (weil das Fahrradfahren weniger Anstrengung kostete, um die gleiche Leistung zu erzielen). Das bedeutet, dass man bei geringeren Q-Faktoren (schmalerem Pedalabstand) weniger Kraft benötigt, um die gleiche Geschwindigkeit zu erzielen – bzw. würde man bei gleichem Kraftaufwand eine höhere Geschwindigkeit haben. Der Unterschied zwischen 90mm und 120mm bzw. zwischen 150mm und 180mm war jedoch nicht signifikant – es konnte nur ein Unterschied festgestellt werden für unter 150mm und 150mm oder höher. Der Unterschied beim „power output“ betrug etwa 1,5-2%.

Es kann außerdem angenommen werden, dass der Unterschied der Fahreffizienz noch größer wäre, wenn die Testfahrer an solche schmaleren Q-Faktoren am Fahrrad gewohnt wären.

2. Ergebnis – bevorzugter Q-Faktor

Es wurden auch Tests mit speziell hergestellten beweglichen Pedalen durchgeführt, bei denen die Fahrradfahrer während des Tests ihre Q-Faktoren quasi selber einstellen konnten. Damit hat man auch Befunde darüber, wie jeder Fahrradfahrer seinen eigenen Q-Faktor intuitiv einstellen würde, wenn man die Freiheit dazu hätte. Dabei wurden außerdem die Bewegungen der Kniegelenke der Fahrer beobachtet.

Die Ergebnisse spalteten sich praktisch in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe der Testfahrer wählte geringere Q-Faktoren (durchschnittlich zwischen 137mm und 145mm) und die Kniegelenke bewegten sich nur sehr wenig. Die zweite Gruppe der Testfahrer wählte höhere Q-Faktoren (durchschnittlich zwischen 146 und 153mm) und die Kniegelenke bewegten sich fast doppelt so sehr wie bei der ersten Gruppe. Dazu kommt: die Testfahrer der ersten Gruppe fuhren im Schnitt doppelt so viel Fahrrad wie die Testfahrer der zweiten Gruppe.

Es zeigt sich also, dass routinierte Fahrradfahrer einen geringeren Q-Faktor bevorzugen. Man könnte jedoch auch schließen, dass die Testfahrer aus der zweiten Gruppe einfach eher an Fahrräder mit höherem Q-Faktor gewohnt sind – denn die von ihnen bevorzugten Q-Faktoren stimmen in etwa mit modernen Straßenrädern überein. Es könnte also auch eine einfache Gewohnheitssache sein.

3. Ergebnis – Maximale Leistung

In einem weiteren Test wurde der Einfluss des Q-Faktors beim Zeitfahren überprüft – es sollte sich dadurch zeigen, ob auch ein Effekt bei maximalem Kraftaufwand festgestellt werden kann.

Dieser Test wurde mit geübten Radsportlern durchgeführt. Sie wurden dafür mehrere Male zum Labor eingeladen, um jedes Mal mit einem anderen Q-Faktor am Heimtrainer zu fahren. Es wurde dabei sichergestellt, dass die Radsportler jedes Mal ungefähr gleiche Konditionen hatten (sie sollten jedes Mal 12 Stunden vorher die gleichen Nahrungen zu sich nehmen).

Anhand einer ANOVA-Varianzanalyse der ermittelten Daten wurde der optimale Q-Faktor errechnet. Dieser betrage 144mm – wobei eine Varianz von weniger 8,7mm (±8,7mm) keinen Unterschied ergebe. Ab einer Varianz von mehr als 22,3mm wäre die Leistung um etwa 3,6% gemindert, bei einer Varianz von mehr als 45mm sogar um etwa 5,5%.

4. Ergebnis: Verletzungsgefahr

Im vierten und letzten Test wurde erneut die Bewegung der Kniegelenke bei selbstgewählten Q-Faktoren beobachtet (anhand von geübten Radsportlern). Eine geringere Bewegung der Kniegelenke wäre beim Fahren nämlich optimal, um Verletzungen vorzubeugen. Der Durchschnitt der selbstgewählten Q-Faktoren betrug hier 142mm, was auch für die körperliche Effizienz am besten war und das Verletzungsrisiko minderte.

Fazit

Es wurde festgestellt, dass – vor allem für routinierte Fahrradfahrer – ein Q-Faktor von weniger als 150mm aus verschiedenen Gründen lohnenswert ist, wobei der Bereich zwischen 137mm und 146mm als der Idealbereich für den Durchschnittsfahrer angesehen werden kann. Wenn der Q-Faktor zu schmal oder zu breit ist, ergeben sich Leistungsverlüste sowohl beim gemäßigten als auch beim intensiven Fahren, die zwischen 1,5 und 5,5% betragen.

Wie misst man den Q-Faktor am Fahrrad?

Wie überträgt man nun diese Erkenntnisse aber auf sein Fahrrad? In der Regel werden vor allem Rennradfahrer und Triathleten Interesse an einem maximal effizienten Antrieb haben. Aber auch alle, die Probleme mit dem Knie haben oder einfach gerne lange Strecken fahren, profitieren vom optimalen Q-Faktor.

Der erste Schritt ist herauszufinden welchen Wert man aktuell am Rad hat. Zum Vermessen benötigt ihr eine handelsübliche Schiebelehre. Diese müssen wir an zwei Punkten ansetzen. Einmal um den Durchmesser des Sattelrohrs zu vermessen. Und einmal um den Abstand von Pedalspindel bis zum Sattelrohr zu messen.

Messt den Abstand von Pedalspindel (Aufnahme des Pedals) zum Sattelrohr am Rahmen.
Nun müssen wir auch den Durchmesser des Sattelrohrs vermessen.

Die Berechnung ist denkbar einfach. Ihr müsst einfach den Durchmesser des Sattelrohrs + 2x Abstand zur Pedalspindel addieren. Im Beispiel habe ich 29,7mm + 2x 59,4mm = 148,5mm Q-Faktor gemessen. Es handelt sich dabei um eine Shimano 105 Tretkurbel von 2019. Die einen Q-Faktor laut Hersteller von 146mm hat.

Sollte der Q-Faktor für euer Gefühl weit über dem optimalen Wert (137 bis 146mm) liegen, dann hilft leider nur der Wechsel der Kurbelgarnitur. Je nachdem werdet ihr entsprechende Optionen bei Shimano, SRAM und Campagnolo finden. Aber auch die Angebote von Drittherstellern wie FSA oder Easton sind immer zu empfehlen.

ModellModelljahrQ-Faktor
Shimano Dura Ace2020146mm
Shimano Ultegra2020146mm
Shimano 1052020146mm
Shimano Claris (R2030 - 3-fach)2020158mm
FSA Omega MegaExo2020146mm
Campagnolo Record Ultra Torque2020145mm
SRAM XX1 2020168mm

Hier findet ihr ein paar Beispiele für aktuelle Kurbel-Modelle und ihre Q-Faktor-Werte. Historisch ältere Modelle von 1990 und früher haben häufig noch einen deutlich kleineren Q-Faktor gehabt, da damals die Rahmen und Bauteile ganz andere Dimensionen hatten. Eine Campagnolo Record mit 132mm Q-Faktor war damals keine Seltenheit.

Was ist euer Q-Faktor?